Ein Projekt zur Badener Geschichte von Kantischülerinnen und Kantischülern
Worum geht's?
In einer Schweizer Premiere untersuchen an der Kantonsschule Baden ab dem Schuljahr 2021/22 Schülerinnen und Schüler Museumsobjekte und Archivdokumente zur Geschichte Badens. Sie erforschen, was uns die Quellen über die damalige Gesellschaft und das Leben in Baden verraten und gestalten dazu eine virtuelle Timeline mit einzigartigen Einblicken in die Geschichte Badens (Twitter + History = Twistory) mit Blogeinträgen, wissenschaftlichen Arbeiten und Posts in sozialen Medien.
Wie funktioniert das Twistory-Projekt?
Schülerinnen und Schüler der Kanti Baden wählen aus hunderten von digitalisierten Objekten aus dem Historischen Museum Baden und über tausend Dokumenten aus dem Badener Stadtarchiv Quellen aus. Sie können ihre Quellen auch vor Ort im Museum begutachten und weiter im Archiv recherchieren. In einem ersten Schritt machen sie historische Detektivarbeit und recherchieren den Kontext, in dem die Quelle entstand: Wie und von wem wurde das Objekt benutzt? Was passierte, als das Dokument geschrieben wurde? Was verrät uns die Quelle über die damalige Gesellschaft und das Leben in Baden?
Ihre Erkenntnisse halten die Schülerinnen und Schüler in einer wissenschaftlichen Arbeit fest. Aus den Arbeiten gestalten sie in einem zweiten Schritt Blogeinträge. In einem dritten Schritt werden auf den sozialen Medien (Facebook, Instagram) in chronologischer Reihenfolge der Quellen Posts zu den einzelnen Quellen veröffentlicht. Zu den Posts werden auf dieser Webseite jeweils die dazugehörigen Blogtexte veröffentlicht (s. unten).
So entsteht eine virtuelle Timeline zur Geschichte Badens, die jedes Jahr durch weitere Quellen und Blogs von Schülerinnen und Schülern ergänzt wird. Die beste Arbeit wird zudem jedes Jahr in den Badener Neujahrsblättern veröffentlicht.
Das Projekt wurde von Ariane Knüsel für die Kanti Baden geschaffen. Es ist das erste seiner Art.
Twistory-Anlass 2023
Die erste Runde des Twistory-Projektes ging im Schuljahr 2021/2022 über die Bühne. Ab April 2023 läuft die neue Runde an. Pünktlich zum hundertjährigen Jubiläum der Badenfahrt befassen wir uns dieses Jahr auch mit Badenfahrten. Am Donnerstag, 22.6.2023, um 17:30 Uhr werden die Schülerinnen und Schüler ihre Recherchen im Historischen Museum Baden der Öffentlichkeit vorstellen.
Bericht der Badarmen-Commission über die Armen-Badanstalt (1860)

Unter den Quellen des Badener Stadtarchivs ist ein Jahresrückblick der Badarmen-Kommission von 1860, welcher uns gleich angesprochen hat. Uns hat interessiert, wie die Bäder damals benutzt wurden und welche Rolle die Hygiene gespielt hat.
Die Badener Bäder waren ein bedeutender Teil der grossen Bäderkultur, die bereits von den Römern geschaffen wurde. Im 19. Jahrhundert erhofften sich die Besucher der Badener Bäder, dass sie der Aufenthalt im Wasser von diversen körperlichen Beschwerden heilt.
Ein Aufenthalt im Kurort Baden war teuer, und nicht alle konnten sich so etwas leisten. Arme Leute konnten deshalb für wenig Geld eine Armenbadeanstalt besuchen, die hauptsächlich mit Spenden finanziert wurde. 1859 verzeichnete das Armenbad 385 Besucher, hauptsächlich Schweizer aber auch Franzosen, Deutsche und Österreicher. Sie bekamen für “täglich acht Batzen” Zugang zum Bad und ärztlicher Versorgung.
Trotz der vielen Ähnlichkeiten kann man Baden als Badekurort im 19. Jahrhundert nicht mit einem heutigen Wellnesshotel vergleichen, da man für die Bäder eine ärztliche Bescheinigung benötigte. Der Bericht der Armenbadkommission zeigt, dass in der Armenbadeanstalt mindestens ein Arzt sowie mehre Krankenpfleger und Krankenwärter anwesend waren. Aufgrund des medizinischen Personals und der strengen Verhaltens- und Hygienevorschriften, die vom Rat der Armenbadkommission festgelegt wurden, glichen die Armenbäder viel mehr einer aktuellen medizinischen Einrichtung als einem Freizeitbad.
1859 litten die meisten Patienten des Armenbades an Rheuma, aber es gab auch zahlreiche Fälle von Arthritis, Ischias, Tuberkulose, Lähmungserscheinungen nach Hirnschlägen und Bandscheibenvorfällen, Versteifung, Arthrose, und Wirbelsäulenbeschwerden, chronische Lungenleiden und sogar Personen mit Ekzemen und Hautgeschwüren. Sie alle erhofften sich durch das Bad eine Verbesserung oder sogar eine vollständige Genesung. Das scheint für viele möglich gewesen zu sein: Knapp die Hälfte der Patienten gab an 1859, dass sich durch den Aufenthalt eine «wesentliche Besserung» ergeben hatte. Nur bei gerade 31 gab es keine Verbesserung.
Wir interessierten uns speziell für die Hygienemassnahmen der Badener Bäder und der Bericht war für uns von grosser Bedeutung, weil er auch die Finanzen und Veränderung in der Armenbadkommission behandelte. Anhand von den Ausgaben erhielten wir wichtige Informationen über die damalige Hygienemassnahmen und konnten wichtige Unterschiede zwischen den Massnahmen des 19. Jh. und des 21. Jh. erkennen.
Von Infektionskrankheiten betroffene Personen wurden nicht in die Bäder zugelassen. In den Bädern herrschten Verhaltensregeln wie zum Beispiel das Abduschen vor dem Betreten des Bades oder das Verbot von Essen und Trinken im Bad. Auch die Krankenwärter hatten den Auftrag die Hygienevorkehrungen zu unterstützen und ein Abwart war für das Putzen der Bäder zuständig. Noch ein letzter Faktor waren die externen Firmen, die mit dem Waschen der Bademäntel und anderen Badeutensilien beauftragt waren, und für welche die Badarmenkommission grosse Geldsummen ausgab. Jedoch existierte ein grosses Problem: Das Thermalwasser wurde in gewissen Bädern nur einmal wöchentlich erneuert, so dass das Wasser in keiner Weise mehr den hygienischen Anforderungen eines sauberen Wassers entsprach.
Fahrrad (1864)

Die Pandemie hat dem Fahrrad grossen Aufschwung gegeben. Doch wie sah es früher aus? Das haben wir uns gefragt, als wir ein Männerfahrrad von 1864 als unser Objekt gewählt haben.
Rahmen, Lenker und Speichen unseres Velozipeds sind aus Metall gefertigt worden. Die Griffe des Lenkers und die Innenseite der Räder sind aus Holz. Der Antrieb wurde durch den Pedalantrieb geleistet, welcher ohne Kette direkt am Vorderrad angebracht wurde. Pedalen waren um 1864 eine Sensation. Es gab verschiedene Erfinder, die für sich beanspruchten, in den 1860er Jahren Pedalen erfunden zu haben (Karl Kech 1862, Pierre Lallement 1864). Unser Fahrrad ist also ein sehr seltenes Objekt auf dem Höhepunkt der damaligen Technologie.
Da es keine Gänge gab, wurde das Fahrrad bei Steigungen hochgeschoben. Ein weiteres Merkmal ist, dass sich an der Vordergabel keine Feder befindet und die Räder durch das Holz und Metall auch nicht stossdämpfend sind. Deshalb hat man den Sattel vermutlich auch auf einem dünnen Metallteil befestigt, damit die Elastizität des Metalls die Schläge abfedert und das Fahrerlebnis sich so verbessert. Viel gebracht hat es aber wahrscheinlich nicht, denn Velozipede waren damals auch als «Knochenschüttler» bekannt. Sicherheitsaspekte wurden zu dieser Zeit offensichtlich noch nicht beachtet. Am Fahrrad findet man auch keine Art der Beleuchtung und auch keine Schutzbleche, was darauf schliessen lässt, dass man das Fahrrad eher bei schönem Wetter benutzt hat.
In den 1860er Jahren hatten nur sehr wenige Leute ein Veloziped, da ein solches Gefährt für die damalige Zeit sehr teuer war. Es war sehr aufwändig, ein solches Fahrrad herzustellen, da es in reiner Handarbeit gefertigt wurde. Für die Arbeiterklasse und den Mittelstand war der Erwerb eines Fahrrades ausser Reichweite. Die raren Fahrräder wurden also fast nur von Männern der Oberschicht benutzt. Zu dieser zählten damals in Baden Fabrik- und Firmenbesitzer, Hoteliers und erfolgreiche Restauranteure. Frauen konnten wegen ihren langen Röcken nicht auf Fahrrädern sitzen. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts begannen manche Frauen, unter ihren Röcken Hosen zu tragen, damit sie Fahrradfahren konnten. Das wurde aber in der Öffentlichkeit nicht gerne gesehen, denn Hosen waren eigentlich Männersache.
In den 1860er Jahren benutzten Fahrradfahrer ihr Gefährt vor allem für Freizeitaktivitäten und um ihren Wohlstand der Aussenwelt zu präsentieren. Die Fahrräder waren nämlich bis zu etwa 30 Kilogramm schwer und somit für den Alltag eher ungeeignet. Ausserdem gab es in dieser Zeit eigentlich noch keine Autos. 1864 wurde zwar das erste Automobil mit einem Einzylinder entwickelt. Doch dieser Prototyp fuhr nur 500 Meter weit, von dem her hatten die Autos keinen Einfluss für die Entwicklung und Verbreitung des Fahrrads. Die Menschen in dieser Zeit benutzten eigentlich nur Kutsche, Zug oder Schiff, um lange Strecken zurückzulegen oder sie gingen zu Fuss. Um kurze Strecken nicht mehr zu Fuss zurücklegen zu müssen, schaffte man sich ein Fahrrad an, wenn man sich das leisten konnte.
Da der Preis eines solchen Fahrrades zu dieser Zeit ziemlich hoch war und es auch nicht viele wohlhabende Menschen gab, denken wir, dass man ein Fahrrad wie das unsere eher selten zu Gesicht bekam. Wir vermuten, dass das damalige Fahrrad mit den heutigen Sportwagen zu vergleichen ist. Das Fahrrad im Museum gehörte dem Hotelier Bruno Saft, der auch Direktor des Grand Hotels Baden von 1876 bis 1900 war. Das Grand Hotel war Badens teuerstes und grösstes Hotel mit viel internationaler Kundschaft. Saft war nicht nur reich, er hat sicher auch Wert darauf gelegt, wie er sich in der Öffentlichkeit zeigte und sich fortbewegte. Ein solches Fahrrad war damals ein Luxusobjekt gewesen, das für einen Hotelier wie Saft durchaus angemessen war.
Die Produktion des Fahrrades vereinfachte sich aber mit der Zeit und es konnten sich vermehrt Leute des Mittelstandes ein Fahrrad leisten und dadurch die Vorzüge der Mobilität geniessen.
Massregeln bei Choleragefahr (1884)

Cholera, ursprünglich in Asien beheimatet, gelangte 1831 erstmals nach Europa und suchte im Jahre 1854 die Schweiz heim. 1867 und 1885 kam es wieder zu Choleraepidemien, auch in Baden. Der Choleraerreger greift die Darmschleimhaut an, was starke Brechdurchfälle zur Folge hat und tödlich enden kann.
Wie haben die Choleraepidemien 1867 und 1885 die Stadt Baden beeinflusst? Zwei Archivdokumente des Stadtarchivs Baden können diese Frage beantworten.
Im Dokument «Die Cholerafälle im Bezirk Baden im Jahr 1867» werden zehn verschiedene Cholerafälle beschrieben. Die Dokumentation dieser Fälle wurde vom Bezirksarzt von Baden verfasst. Er hat darin vor allem vom Krankheitsverlauf der betroffenen Personen berichtet und versucht, die Verbreitung von Cholera festzuhalten.
Viele Kantone, auch Zürich, waren stark betroffen. Das Archivdokument von 1867 zeigt, dass die Krankheit von Zürich in den Bezirk Baden geschleppt wurde. Die Ansteckungen erfolgten nicht durch Besuche eines infizierten Hauses, sondern durch den Verbleib auf den Zürcher Strassen. Viele Bewohner des Bezirks Baden tätigten nämlich ihre Einkäufe in Zürich auf dem Markt. Bei diesem Aufenthalt steckten sie sich mit Cholera an und brachten das Bakterium so nach Baden. Im Bezirk Baden selbst kam es laut der Dokumentation zu keinen weiteren Ansteckungen, sie erfolgten alle in Zürich.
1884 gaben die Badener Behörden «Massregeln bei Choleragefahr» heraus. Sie enthielten zum Einen Vorschriften allgemeiner Natur, zum Anderen Vorschriften über Desinfektion der Aborte und Sammler. Zu den Vorschriften allgemeiner Natur gehörte die Wahl der Lebensmittel, wobei zum Beispiel nur sehr mässig Obst gegessen werden sollte, oder das regelmässige Lüften der Wohnräume.
Weil Cholera sich durch schlechte Hygiene und verunreinigtes Trinkwasser verbreitet, wurden auch massive Hygienemassnahmen eingeführt. Man begann die Häuser regelmässig zu desinfizieren und auszuräuchern. Der Badener Gemeinderat verlangte auch, dass die Abtritte, auch Klosetts genannt, mit Eisensulfat oder Karbolsäure gereinigt werden.
Auf einer Doppelseite des Dokuments ist ein Abtrittkübel abgebildet, welcher eine wichtige Rolle in der Geschichte des Abwassersystems spielt. Vor den Epidemien hatten die meisten Schweizer Haushalte nämlich einen Abtritt, welcher durch ein Fallrohr mit einem Ehgraben verbunden war. Die Fäkalien fielen also durch dieses Fallrohr in den offenen Kanalisationsgraben und wurden dort liegen gelassen. Das war bereits sehr unhygienisch. Dazu kam, dass das schmutzige Wasser in diesen Gräben abfloss und in offenen Gewässern landete. Das Trinkwasser wurde hauptsächlich aus diesen Gewässern bezogen, wodurch es mit Fäkalien und darin enthaltenen Krankheitserregern verunreinigt wurde. Auch in Baden wurde dies zum Problem, da das Trinkwasser aus dem Stadtbach stammte.
Da Cholera überwiegend durch dieses verunreinigte Trinkwasser verbreitet wurde, musste dringend eine Lösung her. Man war gezwungen, das Abwassersystem zu überdenken. Deshalb forderte man in Zürich 1867 eine Kloakenreform. Man entschied sich, ein Kübelsystem nach Pariser Vorbild einzuführen. Damit wurde die offene Kanalisation zu einer geschlossenen weiterentwickelt. Dieser Kübel, welcher im Archivdokument dargestellt ist, trennte feste von flüssigen Fäkalstoffen. Die Exkremente fielen durch ein Fallrohr in den Kübel, welcher durch ein Sieb in zwei Abschnitte unterteilt wurde. Die Flüssigkeiten konnten dann durch das Sieb in die Kanalisation ablaufen, während der Kübel mit den festen Stoffen regelmässig geleert wurde.
Auch in der Stadt Baden wurde nach einer Lösung gefragt, da das bestehende System der Wasserversorgung den Anforderungen nicht mehr genügte. 1881 kam es also zu einem Ausbau des Abwassersystems. Die Abbildung im Archivdokument zeigt, dass auch Baden solche Cholerakübel eingesetzt hatte.
Nähmaschine (1905–1925)

Wir haben als Objekt für unsere Arbeit eine Tisch-Nähmaschine der Marke Pfaff aus dem Museum ausgewählt. Sie wurde zwischen 1905 und 1925 in Deutschland produziert. Die Nähmaschine hatte grosse Auswirkungen auf die Herstellung von Kleidern und Modetrends, auch in Baden.
Vor der Nähmaschine mussten Textilien von Hand genäht werden, was sehr aufwändig und teuer war. Bevor im 20. Jahrhundert Kleidung in Textilfabriken als Massenware hergestellt wurde, nähten die meisten Frauen ihre Kleider selbst und flickten sie auch. Sie konnten nämlich keine Massanfertigung in einer Schneiderei bezahlen.
Mit der Bevölkerungszunahme wurden aber immer mehr Kleider benötigt. 1790 erfand deshalb der Engländer Thomas Saint eine Maschine, bei der eine Ahle ein Loch in Leder stanzte und eine Nadel durch das Loch führte. Weitere Erfindungen folgten, bis 1845 Elias Howe eine Nähmaschine baute, die schneller nähen konnte als vier bis sechs Näherinnen zusammen. 1851 kopierte Isaac Merritt Singer den Steppstich von Howes Maschine und begann, Nähmaschinen zu verkaufen. In der Folge wurde Singer zum führenden Hersteller von Nähmaschinen. Der Deutsche Georg Michael Pfaff baute die Singer Maschine in seiner eigenen Firma nach. Die Pfaff Nähmaschine aus dem Historischen Museum Baden ist deshalb sehr ähnlich wie die damaligen Singer Nähmaschinen. 1910 hatte die Firma Pfaff bereits eine Million Nähmaschinen produziert. Das zeigt, wie wichtig Nähmaschinen damals für die Herstellung von Kleidung waren.
Nähen wurde als Sache der Frau angesehen. Mädchen hatten in der Schule Handarbeit als Fach und lernten dort Nähen und Flicken. Auch die Nähmaschinen wurden anfänglich besonders von Frauen benutzt. Die Pfaff-Nähmaschine aus dem Museum war damals sehr teuer, weshalb sie wahrscheinlich einer Hausfrau aus einer wohlhabenden Familie gehörte.
Mit der Nähmaschine konnten mehr Kleidungsstücke innert kürzerer Zeit angefertigt werden. Immer mehr Leute konnten nun ihre Kleidung kaufen, weil diese wegen der Nähmaschine billiger geworden war. So wurde es nun auch für Badener Frauen aus der (unteren) Mittelschicht und sogar für Arbeiterinnen möglich, Modetrends zu folgen. Je nach Einkommen sahen diese Trends aber unterschiedlich aus (Schnitt, Farben, Material). Besonders Frauen der Unterschicht hatten vor der Nähmaschine ihre Kleidung getragen, bis sie auseinanderfiel oder nicht mehr passte. Jetzt konnten auch sie immer wieder neue Kleider kaufen. Durch die Erfindung der Nähmaschine wurde das Nähen der Badener Alltagsmode also schneller und billiger, und auch die Auswahl Kleidungsstücken vergrösserte sich. Die Nähmaschine könnte also als Anfang von "Fast Fashion" bezeichnet werden.
Früher galt Baden als das industrielle Zentrum von Aargau, auch zum Dank der Textilindustrie. Durch die Industrialisierung entstanden mehrere Textilfabriken und es wurden auch Luxuskleidungsstücke hergestellt, beispielsweise nähte man für Frauen Spitzenschals. Viele Betriebe stellten Frauen als Näherinnen ein. Für viele Frauen war die Arbeit mit der Nähmaschine neben ihrem Haushalt eine grosse Belastung aber notwendig, um zusätzliches Einkommen für die Familie zu sichern.
Der Umgang mit der Nähmaschine war aber nicht ohne Probleme und die Näherinnen mussten lernen, wie sie Nähmaschine einsetzen konnten. Wenn man mit der Nähmaschine beim Nähen Fehler machte, wurde die Produktion dadurch aufgehalten. Manchmal waren die Fehler so gross, dass man die Textilien nicht mehr nutzen konnte, beziehungsweise nur für andere Textilien verwenden konnte. Auch konnte die Nadeln der Nähmaschine bei zu dicken Stoffen abbrechen. Es brauchte also Übung, bis man die Nähmaschine korrekt einsetzen konnte. Deshalb wurden Mädchen auch in sogenannten Industrieschulen im Nähen und anderen handwerklichen Tätigkeiten ausgebildet.
Die Nähmaschine hat sich zwar über die Jahre weiterentwickelt, doch ihre Wichtigkeit hat sie nie verloren. Noch heute wird sie sehr viel genutzt und sie ist in fast jedem Haushalt zu finden.
Damenhut (1880–1920)

Der Damenhut; ein Statussymbol
Der Damenhut aus dem Historischen Museum Baden ist ein Hut wie kein anderer. Wir hatten viele Probleme, unseren Hut einem Stil zuzuordnen, nirgends fanden wir einen ähnlichen Hut. Wie und von wem wurde er hergestellt? Wer trug ihn? Und was sagt er über die damalige Gesellschaft aus?
Auf den ersten Blick kann man unschwer erkennen, dass dieser Hut, der um 1900 hergestellt wurde, sehr schön und edel aussieht. Er ähnelt von der Form her einem Glockenhut ohne Rand und ist mit einem schwarzen, samtartigen Stoff überzogen. Eine zweite Stoffschicht wurde um den Hut herumgewickelt. Er besitzt eine dunkelblaue Farbe, welche wegen der Glätte des Stoffes ein wenig schimmert. Auf der Vorderseite ist mit einem dunkelblauen Band ein rundes, altgoldfarbiges Ornament angebracht. Das Ornament ist aus Messing und mit Schmuckperlen besetzt. Messing wurde um 1900 oft benutzt, um goldig-glänzende Produkte herzustellen. Auch ziert eine dünne Netzmaske mit kleinen Filzkügelchen die Vorderseite des Hutes. Schwarz und weisse Straussenfedern auf der linken Seite wirken elegant. Eines ist klar: Wer diesen Hut trug, wollte auffallen.
Um 1900 waren die Schweizer Mode und somit auch die Badener Mode der Oberschicht stark von europäischen Modetrends. Diese wiederum wurden durch politische und kulturelle Veränderungen beeinflusst. Ende des 19. Jahrhunderts war die Zeit der grossen Kolonialreiche. Neue Produkte kamen von den Kolonien nach Europa, und wer sie besass, konnte zeigen, dass er oder sie reich war.
Obwohl die Schweiz keine Kolonien besass, nahm auch dort das Interesse an fremden Ländern auf. Exotische Produkte und die damit verbundenen Völkerschauen waren sehr beliebt. Das hatte auch Auswirkungen auf die Schweizer Mode: So tauchten vermehrt Federn in der Kleidung der Leute auf, denn durch den Handel mit den Kolonialgebieten war es möglich, an Federn von exotischen Vögeln wie zum Beispiel Straussen zu gelangen. Der Run auf Federn für Hüte war so gross, dass ganze Vogelarten ausgerottet wurden. Gewisse Federn waren das zweifache ihres Gewichtes in Gold wert.
Straussenfedern auf Hüten kamen hauptsächlich von Straussenfarmen in Südafrika. Dort waren Straussenfedern neben Gold, Diamanten und Wolle das wichtigste Exportgut. Sie wurden eingefärbt und zusammengenäht und von London aus in die ganze Welt verkauft.
Ein Hut mit seltenen Vogelfedern war ein Statussymbol wie heute eine Rolex. Eine modern gekleidete Frau ging nur mit Hut auf die Strasse. Er gehörte zum guten Ton. Reiche Verzierungen durch teure Schmuckstücke, Spitze und eben exotische Vogelfedern waren modern und symbolisierten den Wohlstand der Damen.
Ein Hut mit Straussenfedern wie der unsere war ganz klar ein Luxusobjekt, das sich eine Badener Frau, die in einer Fabrik arbeitete, nicht leisten konnte. Das müsste schon eine Frau aus dem Bürgertum gewesen sein, vielleicht aus einer der Familien von Hotelbesitzern oder Industriellen. Zudem gab es in Baden um die Jahrhundertwende auch viele Touristinnen, welche in den teuren Hotels ein- und ausgingen. Diese trugen entsprechend schicke Kleidung und Hüte.
Die schnelllebige Hutmode brachte Anfang des 20. Jahrhunderts immer wieder neue Trends mit sich. Hüte wurden von Hutmachern hergestellt. Durch die Industrialisierung verlor ihr Beruf an Bedeutung, da man einfache Alltagshüte nun in Fabriken herstellen konnte und sie so für mehr Leute zur Verfügung standen. Um zu überleben, mussten die Hutmacher auf die Oberschicht setzten und stellten so vermehrt kunstvolle Hüte mit vielen Verzierungen her. Die Hüte der Frauen waren nun fantasievoll, dramatisch, geschmückt und wurden von ihren Trägerinnen meist schräg auf dem Kopf aufgesetzt.
Auch auf Anlässen wie Hochzeiten und anderen Festen durften Hüte natürlich nicht fehlen. Kombiniert wurden sie oft mit einem eleganten, langen Kleid, welches bis zum Boden reichte. Wir wissen nicht genau, von wem und zu welchen Anlässen unser Hut getragen wurde, aber stolz war seine Besitzerin auf ihn mit Sicherheit.
Telefon (1900–1910)

Alexander Graham Bell hat 1876 das erste Mal ein von ihm entwickeltes elektromagnetisches Telefon getestet. Zwei Jahre später entwickelte Lars Magnus Ericsson ein Telefon, das er nach sich selbst benannte: Das «L.M. Ericsson». Wir haben ein solches Telefon aus der Sammlung des Historischen Museums Baden ausgewählt und versucht, über die Geschichte des Telefons in Baden um 1900 mehr zu erfahren.
Nur vier Jahre nach der Erfindung des Telefons wurde 1880 in Zürich die erste Telefonzentrale der Schweiz eröffnet. Mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes wurden immer mehr Telefonzentralen gebaut. Schon 1883 gab es die erste Fernverbindung von Baden nach Zürich und zwei Jahre später eine Telefonzentrale in Baden.
1885 gab es zwar in Baden bereits eine Telefonlinie, aber Telefongespräche wurden in diesem Jahr noch keine geführt. Badener und Badenerinnen, die mit anderen Personen kommunizieren wollten, musste Briefe schreiben oder Telegramme schicken. Telegramme waren teuer, aber Baden als Tourismusort und Industriezentrum war reich: 1885 wurden in Baden satte 21’250 Telegramme verschickt!
Auf Postkarten der Vorstadt Badens, die um die Jahrhundertwende hergestellt wurden, kann man bereits Telefonmasten feststellen. Unser Telefonmodell, das L.M. Ericsson war in der Schweiz erst ab 1905 erhältlich. In diesem Jahr gab es bereits 316 Teilnehmer in Baden, welche total 283'708 Telefongespräche in einem Jahr führten!
Baden als Kurort lebte vom Tourismus. Die Möglichkeit, per Telefon zu kommunizieren, war sehr wichtig für die Badener Hotels und Badeanlagen. Firmen wie Brown Boveri & Cie., die verschiedenen Betriebe, die zur Textilindustrie gehörten, oder auch die Biscuitsfabrik A. Schnebli & Söhne konnten mit dem Telefon Geschäfte abschliessen oder dringende Handelsinformationen mitteilen.
Bei den Privathaushalten sah es allerdings anders aus: Nur die allerwenigsten Badener und Badenerinnen besassen um 1900 ein Telefon. Dieses war auch nicht zu vergleichen mit dem heutigen Mobiltelefon, das in der Tasche getragen wird. Das L.M. Ericsson stand zu Hause auf einem Tisch oder Schrank und es wurden nur von wohlhabenderen Menschen genutzt. Es kostete nämlich ca. 65 Franken, einen enormen Betrag für die damalige Zeit. Zum Vergleich: Ein Fabrikarbeiter verdiente damals 20-30 Rappen pro Stunde.
Auch bei reichen Familien wurde anfangs wahrscheinlich noch nicht oft telefoniert, denn wenn man zum Beispiel ein Familienmitglied oder Bekannten anrufen wollte, war die Wahrscheinlichkeit tief, dass die Person, welche man erreichen wollte, auch ein Telefon besass. Dies änderte sich jedoch schnell. Das Telefon wurde so beliebt in Baden, dass man in den 1920er Jahren mit der 1919 eingerichteten Telefonzentrale von 800 Teilnehmern nicht mehr auskam. 1931 wurde deshalb zwischen der Bahn und der Parkstrasse ein neues Postgebäude eröffnet, das auch ein Telefongebäude war. Das neue Telefonamt war für 1’800 Abonnenten eingerichtet, die bis auf 3'000 Anschlüsse ausgebaut werden konnten.
Die Verbreitung des Telefons führte auch zu neuen Jobs in Baden: Neben Mechanikern und Elektrikern waren vor allem auch Telefonistinnen gefragt, die im neuen Gebäude eigens eine Teeküche bekamen.
Wir wissen nicht, wer das L.M. Ericsson aus dem Historischen Museum in Baden besass. Vielleicht war es ein Hotel, vielleicht die BBC oder eine der wohlhabenden Familien der zahlreichen Fabrik- oder Hotelbesitzer in und um Baden.
Postkarte des städtischen Krankenhauses (1912)

Unter den vielen Postkarten, die im Historischen Museum Baden aufbewahrt werden, ist auch eine kleine, unscheinbare Postkarte aus dem Jahr 1912, welche das städtische Krankenhaus abbildet. Wir haben diese Postkarte ausgewählt, um die Geschichte des Krankenhauses zu erforschen.
Das Leben hat seinen Beginn gewöhnlicherweise in einem Krankenhaus. Seit Anfang an ist man auf eine Pflegeeinrichtung anegwiesen. Krankenhäuser retten Tausende von Leben, heilen Wunden, Krankheiten und verbessern im Allgemeinem die Lebensqualität und die Lebenserwartung der Bevölkerung. Deswegen spielte das städtische Krankenhaus Baden eine zentrale Rolle für die Gesellschaft in der Region Baden.
Der Ursprung greift tief in die Geschichte zurück. Gegründet wurde das städtische Krankenhaus Baden vor knapp 600 Jahren unter dem Namen Agnesen-Spital von der Königin Agnes von Ungarn. Die Gründung dieses Spitales liegt leider einem traurigen Anlass zugrunde. Die Königin kam auf die Idee, ein Krankenhaus zu errichten, nachdem ihr Vater in Windisch ermordetet wurde, denn hätte es damals schon ein Krankenhaus in der Region Baden gegeben, wäre der Vater vielleicht dem Tod entkommen. Dank grosszügigen Spenden, Stiftungen und Unterstützung der Habsburger konnte sich das Krankenhaus über Jahrhunderte aufrechterhalten. Dies war auch von Nöten, denn damals waren Krankenhäuser leider noch nicht sehr verbreitet und natürlich auch noch nicht überall so fortgeschritten.
Baden war unter anderem wegen den Badener Bäder weit bekannt. Dadurch wurden viele Patienten nach Baden gelockt, wodurch das Spital auch eine Vielzahl nicht ortsbürgerlicher Patienten hatte, welche auch behandelt werden mussten. Deshalb erwartete man auch einen gewissen Standard, denn es gab Leute, welche einen langen Weg auf sich nahmen, um von den Gesundheitseinrichtungen in Baden zu profitieren. Obwohl die Kurorte selbst auch medizinische Versorgung anboten, wurden die schwer verletzten Patienten in den meisten Fällen an das Stadtspital überwiesen.
Nach all diesen Erfolgen des Agnesen Spitals folgte im 19. Jahrhundert eine Krisenzeit. In Baden gab es 1888 für 25 Jahre keine richtige Gesundheitseinrichtung. Während dieser Zeit diente das Kornhaus unten in der Altstadt als Provisorium des Krankenhauses. In diesen Jahren wurde das Stadtspital im ehemaligen Siechenhaus geführt. Die Anzahl an Patienten nahmen von Jahr zu Jahr stark zu und schon bald merkte man, dass ein richtiges Stadtspital für die vielen Patienten nötig sei. Die eigentliche Gründung des städtischen Krankenhauses Baden erfolgte erst im Jahre 1912. Das heisst, ab diesem Zeitpunkt an war das Krankenhaus an dem Standort des heutigen Regionalen Pflegezentrum Baden. Unsere Postkarte wurde 1912 anlässlich der Gründung des Krankenhauses gedruckt. Man war so stolz, so ein Krankenhaus in Baden zu haben, dass man es sogar auf Postkarten abdruckte. Die Patienten benutzten solche Postkarten, um mit Verwandten und Bekannten zu kommunizieren. Unsere Postkarte wurde zum Beispiel einem Mann in Aarau geschickt.
Nach 1912 hatte der Kanton die zentrale Rolle bei der Leitung des städtischen Krankenhauses, wie auch der Finanzierung des Stadtspitals. Im neuen Spital standen 100 Betten zur Verfügung. Endlich hatte Baden wieder ein richtiges und funktionstüchtiges Krankenhaus. Dennoch reichten die Einrichtungen nicht lange, im Jahr 1938 erfolgte dann der Ausbau. Mit den Erweiterungsbauten wurde das Spital etwas entlastet. 1943 kam dann der erste chirurgische Chefarzt und gleichzeitig baute man die Operationssäle aus. Das Krankenhaus wurde laufend modernisiert und war inzwischen nicht mehr nur ein Stadtspital, sondern nahm bereits die Funktion eines Kantonsspitals ein. Dies führte zu einer Überlastung des Personals, und zwar nicht nur bei den Pflegern und Ärzten, sondern auch beim hauseigenen Gärtner. Dieser war nämlich jahrelang gleichzeitig Chauffeur des Krankenwagens.
Wegen der fehlenden Infrastruktur entstand bereits in den 1950er-Jahren der Wunsch, ein Kantonsspital im östlichen Aargau zu errichten. Dies wurde 1978 schliesslich Realität. Mit der Eröffnung des Kantonsspitals Baden ging die Geschichte des städtischen Krankenhaus zu Ende und unsere Postkarte von 1912 verschwand in der Sammlung des Historischen Museums Baden.
Bettflasche (1900–1930)

Die Spanische Grippe breitete sich zwischen 1918 und 1920 von der Atlantikküste bis in die Schweiz und dort auch nach Baden aus. Während dieser Schreckenszeit begann ein bestimmtes Objekt eine sehr wichtige Rolle für Betroffene einzunehmen und wurde über Jahre hinweg weiterentwickelt: Die Bettflasche. Sie trug zur Genesung, sowie zum Wohlfühlfaktor der Betroffenen bei. Doch was genau hatte es mit dieser Krankheit und dieser noch sehr einfach gehaltenen Bettflasche auf sich?
Die heftigste Pandemie von allen ist bis heute die Spanische Grippe, auch H1N1 genannt. Sie forderte mehr Todesopfer gefordert als der Erste Weltkrieg. Die meisten Opfer waren zwischen 20 und 40 Jahre alt. Jede dritte Person war infiziert. Zu den Betroffenen gehörten vor allem Soldaten und Kriegsgeschädigte,doch auch wohlgenährte MittelstandsbürgerInnen, wie z.B. Politiker und viele weitere wichtige Personen. Die Spanische Grippe hatte oft normale Symptome einer Grippeerkrankung, also Husten, Fieber und Gliederschmerzen. Diese waren an sich nicht besonders gefährlich, doch die dabei entstandene Lungenentzündung bedeutete für viele den Tod. Erkrankte liefen dunkelblau an aufgrund der Unterversorgung mit Sauerstoff. Oft wurde die Spanische Grippe deshalb für die Pest gehalten.
Bereits im Juni 1918 erreichte der Erreger die Stadt Baden. Betroffene entwickelten zunächst normale Grippesymptome, wie Husten, Fieber und Gliederschmerzen. An und für sich noch nichts Bedrohliches. Doch was viele zu Beginn noch als kratzendes Gefühl im Rachen wahrnahmen, entwickelte sich innert kürzester Zeit zu einer fatalen Lungenentzündung. Diese endete für viele mit dem Tod.
Im zweiten Halbjahr 1918 waren 2600 Personen, also mehr als ein Viertel der Wohnbevölkerung Badens, betroffen. Spitäler und Krankenpersonal waren völlig ausgelastet. Nun gab es spezielle Grippebetten und selbst Schulzimmer wurden als Notspitäler hergerichtet. Neben Gemeindeschwestern und dem Samariterverein wurden zudem Freiwillige für die Pflege angelernt und eingespannt.
Aufgrund der immer weiter steigenden Fallzahlen mussten unzählige Massnahmen ergriffen werden. Um Ansteckungen zu vermeiden, schränkten die Leute ihre sozialen Kontakte ein und verwendeten Desinfektionsmittel und Gesichtsmasken. Wenn man sich dennoch infizierte, nahm man Medikamente wie Echinacea, das eine beruhigende und kräftigende Wirkung gehabt und den Appetit und die Verdauung angeregt haben soll. Eine andere Methode war, eine Bettflasche zu verwenden, um vor allem den Schüttelfrost zu bekämpfen.
Die aus Zink angefertigte Bettflasche das wichtigste Hilfsmittel, um Schüttelfrost entgegenzuwirken. Trotz der damals noch sehr unkomfortablen “Metallflasche” und der Tatsache, dass die Wärme der Bettflasche keine heilende Wirkung hatte, führte sie zu einem erheblichen Anstieg des Wohlbefindens. Brandverletzungen wurden durch einen selbstgehäkelten Überzug – wie auch bei unserer Bettflasche – vermeiden.
Die erste Idee der Bettflasche liegt schon sehr lange zurück. Unser Museumsobjekt war eines der ersten Modelle einer “richtigen” Bettflasche, die in Baden in den 1920er Jahren zum Gebrauch kamen. Vor vielen Jahren verwendete man bereits erwärmte Ziegelsteine, Steine oder warme Holzbretter, um das Bett vorzuwärmen. Als Bettflasche bezeichnete man diese aber noch nicht. Bei der Herstellung der Hülle unseres Museumsobjekts wurde hauptsächlich mit Metall, Zink, Eisen und Kupfer gearbeitet. Ausserdem gab es auch verschiedene Füllmethoden. Man verwendete nicht nur heisses Wasser, sondern auch heissen Sand.
Seit der Spanischen Grippe hat die Bettflasche eine noch wichtigere Rolle in der Badener Geschichte eingenommen. Man kam nämlich auf die Idee, die damalige Bettflasche zu verbessern und brachte so die Weiterentwicklung bis zum heutigen Modell ins Rollen. Der erste Schritt war, dass die harte Hülle mit etwas Bequemerem ausgetauscht wurde. Dadurch entstanden auffüllbare Stoffsäckchen. Das erste Kirschkernsäckchen kam auf den Markt, gefolgt von der heutigen Bettflasche.
Die 1920er Jahre gingen mit vielen Schreckensmomenten in die Geschichte ein. Unser Museumsobjekt zeigt aber, dass eine Erfindung von damals auch heute noch immer die gleiche Bedeutsamkeit trägt. Die Bettflasche hat im letzten Jahrhundert zahlreichen Bürgern das Wohlbefinden gestärkt und deren Leiden verringert. Heutzutage greift man bei einer Krankheit ebenfalls häufig zur Bettflasche, jedoch hat sich das Modell in Form und Material stark weiterentwickelt. Die Bettflasche ist nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken.
Müller-Bräu-Flasche (1923)

Eine grüne Glasflasche aus dem Jahr 1923 führt uns durch die Geschichte der Müllerbräu.
Im 19. Jahrhundert waren Flaschen schon bekannt, allerdings noch nicht verbreitet. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts dienten Krüge und Behälter aus Holz, Ton, Steingut oder Glas als Bierbehälter. Mit der Erfindung des Bügelverschlusses um 1890 wurde die Bierflasche alltagstauglich.
Auch die im Jahr 1897 als Familienunternehmen gegründete Müllerbräu füllte ihr Bier in Glasflaschen ab. Neben der Einführung der Glasflasche war die Linde-Eismaschine eine wichtige Innovation, welche der Müllerbräu zu ihrem Erfolg verhalf. Durch die Erfindung der Eismaschine wurde der Arbeitsvorgang verbessert, aber auch teurer gemacht.
Die Anschaffung von Bierflaschen stellte eine weitere finanzielle Belastung für die Brauereien dar, obwohl die Flaschen durch Produktionsfortschritte billiger geworden waren. Dies führte dazu, dass sich nur zwei der damals etwa dutzend Brauereien in Baden durchsetzen konnten. Somit gab es im ganzen Kanton Aargau nur noch fünf Brauereien.
Unsere Flasche wurde im Jahr 1923 abgefüllt, möglicherweise für die erste Badenfahrt der Geschichte, denn 1923 war das Geburtsjahr der Badenfahrt. Seither entwickelte sich die Badenfahrt zum grössten städtischen Volksfest der Schweiz. 2017 wurden 1.2 Millionen Besucher mit 150'000 Liter Bier versorgt.
Hopfen bekommt durch Lichteinwirkung einen schlechteren Geschmack und produziert gesundheitsschädliche Substanzen. Deshalb verloren Glasflaschen an Popularität. Im Vergleich zu Flaschen sind Dosen lichtundurchlässig. Somit ist Dosenbier länger haltbar.
Unsere Bierflasche aus dem Archiv des Historischen Museums Baden, wurde am selben Standort abgefüllt, wie es die Müllerbräu noch heute tut. Dies wird sich 2023 mit der Umstrukturierung der Müllerbräu ändern. Neu wird ein Grossteil des Biers von der Schaffhauser Brauerei Falken produziert, denn die Brauerei verlegt die Produktion für Detailhandel und Gastronomie nach Schaffhausen. Künftig werden nur noch Spezialitäten in der Gasthofbrauerei in Baden produziert.
Einer der Hauptgründe für die Umstrukturierung ist die Lage der Brauerei. Sie steht mitten in Baden, direkt neben dem Bahnhof und umgeben von Wohnungen. Dort stösst man immer mehr auf logistische Schwierigkeiten, welche die Brauerei an ihre Grenzen bringt.
Der Umstrukturierungsplan umfasst zusätzlich den Bau von neuen Wohnungen. Der in Baden berühmte Biergarten ist ebenfalls von der Umstrukturierung betroffen. Trotzdem wird der Charme und die Grundphilosophie der Brauerei nicht darunter leiden.
Badenfahrt-Poster (1937)

Die Badenfahrt ist aus der Badener Kultur nicht mehr wegzudenken. Ganz Baden und dessen Umgebung kennt dieses riesige Volksfest, welches in der Regel alle 10 Jahre im Sommer stattfindet. Doch eine Badenfahrt war vor mehr als hundert Jahren noch etwas ganz anderes. Früher war Baden ein bekannter Kurort, der schon von den Römern genutzt wurde. Durch den Bau der Spanischbrötlibahn im Jahr 1847 erhoffte man sich mehr Badegäste aus Zürich anlocken zu können.
Auch wenn die Eröffnung gross gefeiert wurde, bezeichnete man diese noch nicht als Badenfahrt im Sinne eines Festes. Eine Badenfahrt zu dieser Zeit hiess, dass man mit der Spanischbrötlibahn nach Baden in die Bäder fuhr und es sich gut gehen liess. Erst im Jahr 1923 kam es dann zur ersten Badenfahrt, welche ein riesiger Erfolg war. Die Stadt Baden war geschmückt mit verschiedenen Attraktionen. Nach dem Umzug traf man sich mit seinen Freunden in den umliegenden Bars und feierte. Insgesamt 20'000 Franken Gewinn spülte die Badenfahrt in die Kassen der Theaterstiftung. Die Bevölkerung im Raum Baden wurde jetzt regelrecht von einem «Badenfahrt-Fieber» gepackt, daher beschloss man 1937 die nächste Badenfahrt stattfinden zu lassen. Mit Werbeplakaten wollte man das Fest noch erfolgreicher werden lassen.
Unser Objekt war ein Werbeplakat für die Badenfahrt 1937. Die Werbeaktion hat sich gelohnt, denn die Badenfahrt 1937 brachte 10`000 Franken an Gewinn. Mit dem Motto «In Baden bei Zürich» konnte Baden noch mehr Besucher anlocken als in der letzten Badenfahrt. Jede Badenfahrt hatte ihr eigenes Motto. 1947 war es «Tragen, Schleppen, Fahren». Die Badenfahrt 1957 fiel aufgrund von Umbauarbeiten, dafür war die Vorfreude auf die Badenfahrt 1967 riesig. Diese fand dann unter dem Motto «Räder machen Leute» statt. Es gab viele grosse Umzüge, welche die Hauptattraktion der Badenfahrt darstellten. Da die Badenfahrt in den Bädern ihren Ursprung hat, bekam die Badenfahrt 1977 das Motto «Im Wasser sind zwöi Liebi». Schon 5 Jahre später wurde dann die sogenannte «kleine Badenfahrt» unter dem Motto «Illusion» gefeiert.
Während all dieser langen Zeit, hat sich die Badenfahrt natürlich auch weiterentwickelt. Früher standen eher die Auftritte mit Sängern, Umzügen und Vorführungen der Turner im Mittelpunkt. In den jüngeren Badenfahrten stand eher die Festwirtschaft im Vordergrund. Der Umzug, welcher in den Anfängen so eine wichtige Rolle gespielt hat, ist in dem Laufe der Zeit nur noch eine nebensächliche Attraktion geworden. An sich hat sich die Badenfahrt aber nicht gross verändert. Historisch gesehen kann man sich die Badenfahrt in Baden nicht mehr wegdenken. Die Badenfahrt wurde zu so einem grossen Volksfest, auf das sich viele Leute riesig freuen. Die Badenfahrt bringt Baden und die umliegenden Regionen alle 10 Jahre wieder zusammen. So auch vor 5 Jahren, als die bisher grösste Badenfahrt 2017 stattfand, mit einer unglaublichen Besucherzahl von ca. 1.2 Millionen. Nächstes Jahr findet das hundertjährige Jubiläum statt, unter dem Motto «Neo», es ist damit zu rechnen, dass sie die Badenfahrt von 2017 bei weitem übertreffen wird. Dabei wird auf die vergangenen Badenfahrten zurückgeschaut und es wird versucht das neue mit dem alten zu verknüpfen.
Zapfen (1901–1950)

Der Zapfen - ein prägendes Element für die Entwicklung der Badehotels im 20. Jahrhundert?
Die Archäologin Frau Schaer beginnt eine Ausgrabung an den Badener Bädern. Der Beginn der Ausgrabungen ist sehr grob und wird erleichtert durch einen Bagger. Viel Schutt ist im Wege. Nachdem der Schutt abgetragen ist, erkennt sie erste Strukturen und Verfärbungen eines möglichen Fundes. Mit mit Pickel und Schaufel wird weitergegraben, bis ein Objekt zu erkennen ist, welches umgeben ist von Mineralien, Sand und Kalk. Im letzten Schritt wird es zu den Konservatoren weitergeleitet, welche sich das Objekt noch genauer unter die Lupe nehmen. Beim Zersägen stossen sie auf schwer durchtrennbares Holz, bei dem sie sogar die Sägeblätter auswechseln müssen. Bei diesem Objekt handelt es sich um einen Badezapfen.
Der Badezapfen wurde zwar bereits von den Römern verwendet aber auch noch die grossen Badener Badehotels im 20. Jahrhundert hatten Badezapfen. Badener Hotels waren bei Touristen aus deim In- und Ausland beliebt wegen ihrer Becken mit Thermalwasser. Der Ein- und Auslauf des Thermalwassers in diesen Hotelbecken wurde durch Badezapfen reguliert, welche verhinderten, dass sich der Wasserpegel ohne menschlichen Einfluss veränderte.
Zapfen waren auch wichtig für die Substitution des verschmutzten Wassers und die Temperaturregulierung. Deshalb war auch das Ziehen des Zapfens in den Hotelbecken streng untersagt. Es gab aber dennoch immer wieder Fälle, in denen genau das gemacht wurde. Der Ennetbadener J.L Bucher zog zum Beispiel 1818 einen Badezapfen und wurde deswegen verhaftet. Ihm wurde vorgeworfen, die Regeln zu missachten und den Anstand zu beleidigen, und der Gemeinderat bestrafte ihn mit einer Strafe von 2 Batzen und einer zehnstündigen Verhaftung, da nur der Inhaber des Hotels das Recht hatte, den Zapfen aus den Bädern zu entfernen.
Badezapfen bestanden ursprünglich aus Holz, denn Holz verfügt über viele Vorteile; Verformbarkeit, Hitzeresistenz (bis 40-50 °C), eine einfache Produktion (schnitzen), einen ausreichenden Ressourcenvorrat und zudem ist es ein ökologischer und gesunder Baustoff. Dazu nimmt Holz Wasser aus der Umgebung auf und quillt auf. Metallzapfen, wie sie von den Römern in Frankreich benutzt werden, waren keine gute Option für die Badener Bäder, da diese durch das Quellwasser schnell verkalkt wären. Metallzapfen waren auch schwer herzustellen und sie verformten sich. Holzzapfen hingegen wurden sogar noch bis vor manchen Jahren in Baden zur Verstopfung der Thermalwasserleitungen benutzt. Mit der Zeit wurden Holzzapfen aber immer häufiger durch Gummi ergänzt. Gummi haftete ohne zu kleben, war extrem dehnbar und nahm keine Krankheitskeime auf. Wie auch bei unserem Foto erkennbar, waren Zapfen umhüllt von einem Stoff, welcher die Verdichtung des Auslaufs nochmals unterstützte.
Zapfen gab es in unterschiedlichen Grössen und Formen. Es gabsie in der Form eines Keiles, eines Konuses, oder eines Hundeknochens. Der Zapfen, welchen wir genauer betrachtet haben, ist einer des Hotels Hirschen, welcher im 18. und 19. Jahrhundert für die grossen Becken gebraucht wurde.
Der Zapfen wurde mit einem Holzhammer in den Boden geschlagen, sodass er sich nicht lösen konnte. Unser Zapfen wurde ursprünglich in einem Bassin der Barockzeit, in der man mit der eigenen Familie und engsten Bekannten im Becken war, benutzt. Später wurde er vom Hotel Hirschen übernommen.
Hobbysammler haben auch schon oft Zapfen entdeckt, dürfen sie aber nicht behalten, weil sie als Kulturgüter dem Kanton gehören.
Shotglas Badenfahrt (1987)

Das kleine, runde Gläschen ist ein ganz normales Objekt, so hat es zuerst den Anschein. Doch hinter diesem Gläschen steckt eine Geschichte über eine Stadt, welche schon zur Römerzeit international Geschichte geschrieben hat: Baden. Was ist die genaue Geschichte dieses Gläschens und in welchem Zusammenhang steht sie mit der Stadt Baden?
Das kleine, runde Gläschen ist ein Shotglas mit einem aufgedruckten Logo der Badenfahrt 1987. Ewas darunter befindet sich ein weiteres Logo, auf dem ein Basketball und das Stadtwappen von Baden zu sehen ist. Bei diesem Logo handelt es sich um dasjenige des Basketballclubs Baden, welcher 1954 von Mitarbeitern der Brown-Boveri-Company gegründet wurde.
Die Brown-Boveri-Company (kurz BBC) war zu ihrer Zeit eine der grössten Industriebetriebe weltweit. Gegründet wurde die Firma 1891. Im Jahre 1987 fusionierte die BBC jedoch aus wirtschaftlichen Gründen mit der schwedischen Firma ASEA und die ABB wurde gegründet. Im selben Jahr fand neben der Fusion der zwei Weltfirmen auch eines der grössten Feste der Schweiz statt: Die Badenfahrt.
Im Sommer 1923 wurde in Baden ein Fest ins Leben gerufen, um den Badener Friedenskongress zu ehren, welcher dem Spanischen Erbfolgekrieg 1714 ein Ende machte. Man zelebrierte die Gemeinschaft der Badenerinnen und Badener.
14 Jahre später war Baden erneut Gastgeber eines Festes, an welchem man die Reise oder auch die «Fahrt» nach Baden feierte. So kam dieses riesige Volksfest zu seinem Namen: die Badenfahrt. Danach wurde das Fest alle zehn Jahre wiederholt und die Tradition wird noch heute weitergeführt.
So fand auch im Jahre 1987 eine Badenfahrt statt. Mit dem Motto «Bade fahrt ab!» wurde die ganze Stadt für zehn Tage in ein riesiges Festareal umgebaut. Es gab viele unterschiedliche Attraktionen, wie zum Beispiel der bekannte Umzug durch die Stadt. Über tausend Menschen zogen mit mehr als 90 Umzugswagen durch die Strassen und begeisterten die am Strassenrand stehenden Zuschauerinnen und Zuschauer.
Eine weitere Attraktion war der Lunapark. Dieser befand sich auf dem Schulhausplatz und auf dem Areal der Kantonsschule auf der anderen Seite der Hochbrücke. Der Lunapark bestand grössten Teils aus Achterbahnen, Gruselhäusern und Spielständen. Kein Wunder also, dass dieser Ort vor allem das jüngere Publikum anzog. Doch auch für die älteren Besucher gab es passende Attraktionen, wie die unterschiedlichen Theater oder die Essensstände mit kulinarischen Spezialitäten.
Das Betreiben dieser Attraktionen und Stände beanspruchte hohe Kosten und vor allem viel Aufwand. Die Kosten wurden durch Sponsoren, wie zum Beispiel der BBC gedeckt. Doch für das Bewirten der Lokale und Festbeizen waren besonders Freiwillige von naheliegenden Ortschaften wie Dättwil oder Ennetbaden anwesend. Auch Sportvereine wie der Fussball- oder der Volleyballclub Baden waren vertreten. Und um für den eigenen Verein zu werben, produzierte man zum Beispiel Gläser mit seinem eigenen aufgedruckten Logo. So tat es auch der Baden Basketballclub, wodurch genau dieses Shotglas entstanden ist.
Das kleine Gläschen erzählt uns somit nicht nur eine Geschichte über den Basketballclub, sondern auch über die Badenfahrt, eines der grössten Feste in der Schweiz, und über die BBC, eine der erfolgreichsten Industriebetriebe zu ihrer Zeit. Hinter einem unscheinbaren Gläschen steckt also die Geschichte einer historischen und vielseitigen Stadt namens Baden.
Gasmaske (1989)

Die grösste Atomkatastrophe der Geschichte im Reaktor von Tschernobyl am 26. April 1986 führte zu einer Verseuchung der Atmosphäre, die weitläufig in ganz Europa Schäden anrichtete.
Obwohl der Bund die Auswirkungen kurz nach der Katastrophe in der Schweiz unterschätzte und keine zusätzlichen Sicherheitsmassnahmen veranlasste, nehmen wir an, dass die Bevölkerung sich trotzdem vor Gefahren der Radioaktivität schützen wollte.
Unser Twistory-Objekt ist eine Dräger-Schutzmaske aus dem Jahr 1989. Den Kauf solcher Schutzmasken sehen wir als eine mögliche Massnahme, die von Badenerinnen und Badenern getroffen wurde, um sich vor den drohenden Atomwolken von Tschernobyl zu schützen.
Nach Messungen im Inland und erhöhter Radioaktivität in der Luft empfahl nämlich sogar der Bund den Verzicht von gewissen Konsumgütern zur Vorbeugung von Krankheiten. Vor allem vor Gemüse, Milch- und Fischereiprodukten wurde gewarnt.
Als sie erfuhren, was die radioaktiven Strahlen im Körper verursachen konnten, entschieden wahrscheinlich manche Bewohner und Bewohnerinnen Badens, sich ein Gasmaske zu besorgen. Damit hofften sie, Krankheiten vorbeugen zu können, falls der Ausnahmezustand eintreffen sollte.
Wie stand es denn um die Gesundheit der Schweizer Bevölkerung nach Tschernobyl? Trotz widersprüchlicher Ansichten bezüglich der Auswirkungen des GAUs (grösster anzunehmender Unfall) von Tschernobyl auf die allgemeine Gesundheit werden heute viele Krankheiten, vorwiegend Krebserkrankungen, der Strahlenenergie zugeschrieben. Die britischen Strahlenbiologen Ian Fairlie und David Sumner rechnen weltweit mit 30'000 bis 60'000 zusätzlichen Krebstoten bis zum Jahr 2056 infolge der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Viele Kinder litten unter Störungen der Gehirnfunktionen und die Zahl der psychischen Erkrankungen nahm nach der Katastrophe zu. Ausserdem stieg die Angst vor Fehl- und Mangelgeburten durch die Radioaktivität, weshalb rund 60% mehr Abtreibungen durchgeführt wurden.
Die Gefahr der Atowolken aus dem Osten war aber nicht der einzige Grund für BadenerInnen und Badener, sich eine Schutzmaske zu besorgen: Drei der fünf Schweizer Kernkraftwerke stehen im Aargau, weshalb er auch «Atomkanton» genannt wird. Nach dem Unglück in Tschernobyl waren deshalb viele Aargauerinnen und Aargauer aufgewühlt und hatten Angst, dass so ein Unglück auch in unmittelbarer Nähe passieren könnte.
Ein weiterer Grund für die Verbreitung von Schutzmasken war der Zivilschutz. Als Folge von Tschernobyl wurden Konzepte für den Notfallschutz erfasst und das Strahlenschutzgesetz erlassen. Der Zivilschutz danach nicht mehr nur für den Schutz gegen Kriegsauswirkungen, sondern auch für Katastrophenhilfe, also den Schutz der Schweizer Bevölkerung bei Katastrophen wie Kernreaktorunfällen, Erdbeben usw., zuständig. Sogenannte «Zivis» wurden auch mit Schutzmasken ausgestattet, welche sie bei einem entsprechenden Aufgebot tragen mussten.
Der Reaktorunfall in Tschernobyl verstärkte die Meinungsverschiedenheiten zur Nutzung der Atomkraft noch mehr. Die Befürworter meinten und meinen nach wie vor, dass die Atomenergie die umwelt- und naturfreundlichste, unerschöpflichste, billigste Energie ist. Die Gegner andererseits wurden in ihrem Zweifeln an der Sicherheit von Atomkraftwerken bestärkt. Es ging so weit, dass Menschen das Bau-Areal des Kernkraftwerkes Kaiseraugst 11 Wochen lang besetzten, um den Bau zu stoppen. Die verschiedenen Ansichten zur Atomkraft gibt es nach wie vor.